Auch wenn durch Yoga-Leidenschaft, Identifikation und Geld emotionale Wogen hochschwappen, sollten wir als Yoga-Lehrer und Yoga-Praktizierende uns dieser umstrittenen Thematik stellen und sie hinterfragen. Denn die Yogalehrer Inflation hat Wirkung auf die Qualität, wie Yoga vermittelt wird und was sich daraus künftig entfalten wird.

Persönlicher Hintergrund: Die Möglichkeit ein YTT (Yoga-Teacher-Training) in Australien 2004 zu absolvieren und meine darauf folgende Unterrichtstätigkeit, waren eine Mini-Moksha-Erfahrung. Es ermöglichte mir, die zu eng gewordene Rolle als buddhistischer Mönch abzulegen, ohne mich in den Fängen gesellschaftlicher und materialistischer Normen völlig zu verwickeln. Abgerundet durch Meditation, Philosophie und Spiritualität durfte ich meine Berufung zum Beruf zu machen und kann bis zum heutigen Tag das weitergeben, was mein Herz berührt und mein Leben transformiert; egal ob dies gerade im Trend liegt oder sich gegen Meinungen und Glaubenssätzen richtet.

Geduld & Disziplin

Allerdings sind bis zu meinem ersten Gedanken, ein YTT zu machen, unzählige Stunden und einige Jahre mit „blood, sweat, tears & joy“ auf der Matte und in intensiven Retreats vergangen (denn als Mönch hatte ich ja wenig Verpflichtungen und viel Zeit : ). Dabei hatte ich allerdings mindestens so viel gelernt, wie in den darauf folgenden Lehrerausbildungen. Leider geht genau diese langjährige und disziplinierte Selbstpraxis in unserer nach außen orientierten „fast-yoga“ Szene immer mehr verloren.

Undefinierbare Essenz

Durch die unkontrollierten Massen-Ausbildungen und der trendigen Yogalehrerschwemme kann sich jede/r „Yogalehrer*in“ nennen und dabei irgendwas unterrichten. Dennoch bin ich froh, dass das Hineingepresst-Werden in bestimmte „yogische“ Normen bis jetzt noch nicht gesetzlich reguliert wurde. Nicht alles, was man beschreiben, definieren und abprüfen kann, hat mit Yoga zu tun; und die Essenz liegt vielleicht überhaupt im Intuitiven, Undefinierbaren, Zeitlosen, Vertrauen und im mystischen Nicht-Wissen.

Das Paradox

Auch wenn ich als freiberuflicher Yoga- und Meditationslehrer davon lebe und als Gastlehrer bei unterschiedlichen YTT unterrichte, so liegen mir (aus eigener Erfahrung) Retreats, und mehrblöckige Weiterbildungen immer mehr am Herzen als TTs … denn der wichtigste Schatz des Yoga liegt darin zur Selbst-Entfaltung und zum Selbst-Bewusstsein zu kommen, und nicht im extrovertierten Verhalten, Belehren und Geldmachen.

Yogalehrer Inflation: Fluch und Segen

Veröffentlich in der „yoga.Zeit“ 2013: Die Konkurrenz unter den Lehrern wird größer – und mit ihr der Trend, sich um jeden Preis zu verkaufen. Es wird um jeden potentiellen Schüler und ums Unterrichten bis zum Burnout gekämpft, damit genügend Marktanteile am Produkt „Yoga“ ergattert werden. Dass man bei irgendeiner Ausbildung einmal etwas über maitri, santhosa, aparigraha & asmitha (Liebe, Zufriedenheit, Bescheidenheit und Egolosigkeit) gehört hat, ist schon längst nicht mehr relevant.

Ich vermute, dass der Pfad zu unserem wahren Selbst zunehmend unklar und verwirrend wird, solange wir unter „Yoga“ bloß ein körperliches Workout verstehen, einen „Lehrer“ bloß als jemanden, der ein Ausbildungs-Zertifikat gegen viel Geld und wenig Disziplin erhalten hat und einen „Schüler“ als Melkkuh, der gerade einem Trend oder einer Laune nachläuft – ohne glühender Hingabe, aber im coolsten Outfit.

Warum ausgerechnet im Yoga Lehrer wie ein Massenprodukt am Fließband produziert und oft viel zu früh auf ahnungslose Schüler losgelassen werden, ist ein interessantes Phänomen, das ich in den letzten 25 Jahren in keiner anderen Sparte oder Tradition beobachten konnte. Dabei geht es nicht nur darum, Menschen von psychosomatischen Problemen zur individuellen Balance zu führen, damit sie schließlich transpersonelle Weisheit erfahren. Unter dem Deckmantel von „Yoga & Spiritualität“ geht es offensichtlich auch um viel Kohle und klesha.

Egal wie lange wir schon Yoga lehren oder lernen, wie oft wir schon in Indien waren und wie vielen Gurus wir gelauscht haben, wie weit wir das Bein hinter den Kopf bekommen; egal wie entspannt unser Atem und wie tief unsere Einsichten sind. Die Haltung – frei nach Suzuki Roshi – „Yoga-Geist – Anfänger-Geist“ würde nicht nur für mich und jeden einzelnen ein Segen sein, sondern für die gesamte Yogaszene, die gerade eine Yogalehrer Inflation erlebt.“

Weitere Blogbeiträge

Wann wird die Yogablase platzen?“ (von Sybille Ebner: https://wheelyogasalzburg.wordpress.com)
„SUP-Yogalehrerin könnt ich werden, extra Kinder-Yogalehrerin und Wheel-Yogalehrerin, natürlich werden auch sämtliche Yoga-Richtungen angeboten, die man sich nur vorstellen kann, außerdem Ausbildungen zur Meditationstrainerin, Tier-Yogalehrerin wurde mir nahegelegt, reine Pranayama-Lehrausbildungen gibt es, Yoga-Lehrgänge für die Psychohygiene, eigene Ausbildungen für Yoga und (man setze ein, was die Fantasie so hergibt), natürlich auch Ausbildungen zu allen Yoga-Stilen, die jemand selbst erdacht hat  –und mit Sicherheit noch etliches mehr. Jede dieser Ausbildungen kostet eine Stange Geld, und alle Ausbildungen haben eines gemeinsam: Sie werfen pro Lehrgang um die zwanzig Yogalehrer/innen auf den Markt, von denen etwa die Hälfte auch wirklich unterrichten möchte – pro Ausbildungslehrgang, nicht pro Jahr, wohl gemerkt.“

Du willst Yogalehrer werden? Was ich dir vorher noch sagen möchte…“ (von Bettina Janssens www.ohmyyogi.de)
„Der Respekt vor dem Beruf Yogalehrer ist verloren gegangen: Kein Wunder! Werden doch mittlerweile an jeder Ecke 200-Stunden-Ausbildungen angeboten und muss doch jeder Öko-Hauptstädter und Modern-Hippie, der was auf sich hält, auch mal eine Yogalehrerausbildung absolviert haben. Das Ganze ist zur Massenware ohne Sinn und Verstand geworden. Jeder macht – in seinem Wahn anders und besonders zu sein – das gleiche… Ich traue mich ja schon kaum zu sagen, dass ich Yogalehrerin bin, weil ich mich dann fühle wie ein Mitläufer. Crazy!“

„What the World Needs Now is NOT ANOTHER YOGA TEACHER (by Kimma: www.flowinglotus.com)
„What if all of the YTT programs made a shift to drop one of the Ts and become Yogi Training (YT) programs to be an avenue for the excited and enthusiastic student to take their practice deeper? What if we simply offered YT programs that covered asana breakdowns, history, mythology, philosophy, anatomy and physiology, conscious communication, yoga in action, ethics, and chanting with an aim not to create teachers but to create Yogis and members of the community? Imagine if we could spend alot of dedicated time to the language and choice of language in the Sutras, discussion of ethics, look at meditation and the darker sides of the practice, exploration of language and the use of language, train in understanding how and when to seek professional assistance for health all without worrying about framing the discussion through a perspective of a teacher training!“

Das Foto entstand 2010 in Rishikesh bei meiner ersten Teilnahme an einem Yogafestival.