„Die Untätigkeit ist keine Schwäche, kein Mangel, sondern eine Intensität, die aber in unserer Aktiv- und Leistungsgesellschaft weder wahrgenommen noch anerkannt wird.“
Byung-Chul Han
Auch wenn Innehalten und Zufälle auf unser Leben wirken und es bestimmen; aber dies ist uns nicht immer bewusst. Wir leben in einer Zeit, in der nicht nur in der Gesellschaft und in den Mainstream-Medien Innehalten, Lauschen, Nichts-Tun, Kontemplieren und Müßiggang als etwas Mangelhaftes und Sinnloses gesehen wird, sondern auch im Yoga und in der spirituellen Szene. Es besteht sogar zunehmend die Gefahr, dass wir uns auf der zunehmend unübersichtlich werdenden esoterischen Spielwiese verlieren, anstatt mehr zu uns zu finden. Dabei kann es sogar passieren, dass uns die schrillen und kurzlebigen Trends mehr von jener inneren Stille wegreißen, die eigentlich immer zeitlos und bedingungslos in uns da ist.
Ich habe meine Zweifel, ob man den spürbaren Anstieg an Schnelligkeit, Beweglichkeit, Unruhe, Stress, Rajas, Vata, etc. auf die Schnelle so wegmeditieren kann. Denn ob wir es wahrhaben wollen oder nicht: Seit kurzem ist die Menschheit in der digitalen Epoche und im astrologischen Luftzeitalter voll angekommen … mit all seinen Annehmlichkeiten und Vorteilen, aber auch mit all seinen Nachteilen und negativen Konsequenzen.
Umso wichtiger ist es, dass ich in meinem Leben entsprechend fundierte Ruhepole verankere und in geschützte Häfen einlaufe. Dabei geht es nicht nur darum Kraft zu tanken, damit ich das nächste Unwetter halbwegs gut überstehe. Es geht auch darum, dass mir das Wesentliche im Leben wieder bewusster wird und ich erahne, dass es in mir etwas gibt, das mich von innen her bedingungslos trägt. Innehalten und Zufälle sind dabei wichtige Aspekte für Gelassenheit, Weisheit und persönliche Entfaltung.
Unterstützungen
Was am spirituellen Weg nicht unterschätzt werden soll, ist die Unterstützung, die man durch eine Sangha, eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, erfahren kann. Genauso können Zeremonien und Rituale ein wertvolles Geländer am Weg aus der Krise sein. Was in diesem Kontext ebenfalls seit Jahrtausenden in fast allen Kulturkreisen und im Schamanismus ein wichtiger Aspekt gewesen ist, auch wenn er in den letzten Jahrzehnten in Verruf kam: Die Anwendung von psychodelischen Mitteln. Erst in letzter Zeit wird deren heilsame therapeutische und spirituelle Wirkung in der Wissenschaft untersucht und oft bestätigt. (Siehe dazu die Doku „Fantastic Fungi“ und dieses Interview mit Michael Pollen).
Zufall und Schicksal
„Alles ist mit allem verbunden und nichts bleibt ohne Folgen.
Wir können noch so sehr planen und nachdenken,
wir können niemals alles vorhersehen,
und das nennen wir dann Zufall oder Schicksal.“
Karl Talnop
Ist Zufall nicht auch das, was ausgerechnet mir – und niemand anderem – zufällt.
Ist Schicksal nicht auch das, was mir ganz persönlich vom Universum als Lektion geschickt wird.
Ist Chaos nicht auch das, was mein beschränkter Menschenverstand (noch) nicht erklären und einordnen kann.
Ist Karma nicht auch die Frucht jenes Samen, den ich irgendwann bewusst gesät oder unachtsam weggeworfen habe.
Ist Gottes Wille nicht auch jene Kraft und jener Erklärungsversuch, die all die Fragen in Antworten verwandeln und unverständliche Lebensereignissen einem Sinn zuordnen.
Wie wenig kann ich im Leben erklären, wie viele Punkte kann ich nicht zuordnen, an wie vielen Stellen tappe ich im Dunklen. Und doch hoffe und glaube ich, dass hinter all den Geschehnissen ein gerechter oder sogar göttlicher Plan steht. Und in stillen gesegneten Momenten erahne ich, dass das Universum, der Planet, die Schöpfung, der Mensch und ich als unerklärbares Wesen mitten drinnen kein Zufall sind.
Vertrauen und Absicht
„Vertrauen ist eine Oase des Herzens, die von der Karawane des Denkens nie erreicht wird“
Khalil Gibran
Es ist genau dieses Vertrauen und diese innere Überzeugung, die mir die Kraft, die Zuversicht und den Mut geben, weitere Schritte auf einem spirituellen Weg zu gehen. In dem Moment, wo ich von einer Gewohnheit abweiche und eine unbekannte Schwelle überquere, weiß ich noch nicht, wohin sie mich führen werden. Aber die Hoffnung trägt mich, dass ich dadurch aus dem allzu Menschlichen, Weltlichen, Sinnlichen, Profanen und Oberflächlichen herausgeführt werde.
Wenn meine Absichten gewissenhaft, heilsam, positiv und demütig sind, dann muss ich mir um das Ziel und die einzelnen Schritte nicht viele Gedanken machen. Dann werde ich nicht mehr verzweifelt suchen, sondern vertrauensvoll finden; dann bin ich von nichts getrieben und muss niemanden nachlaufen, sondern ich vertraue, dass mir im richtigen Moment das geschickt wird und das geschieht, was für mich wichtig und richtig ist. Dann verwandelt sich jede Krise zu einer einzigartigen Chance und jedes Problem zu einer notwendigen Lehre.
Wenn ich begreife, wie beschränkt mein Vorstellungsvermögen ist, dann werden Lebensziele immer unkonkreter. Die Suche nach Abkürzungen und die Angst vor Umwegen wird weniger. Und vergangene Erfahrungen und Zukunftspläne sind nur noch Beiwerk, denn das Hier & Jetzt ist der Stoff, aus dem das Leben mich begrüßt, aus dem es mir entgegenstrahlt und aus dem heraus ich mich und die Welt transformieren kann.
„Achte gut auf diesen Tag,
denn er ist das Leben –
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf liegt alle seine
Wirklichkeit und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens,
die Größe der Tat,
die Herrlichkeit der Kraft.
Denn das Gestern ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das Heute jedoch, recht gelebt,
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glück
und jedes Morgen
zu einer Vision voller Hoffnung.
Darum achte gut auf diesen Tag.“
Dschalal ad-Din Muhammad Rumi
Begriffe: Geduld, Gelassenheit, Innehalten, Vertrauen, Zufall