Freitag, 18 August 2017 09:05

4 göttliche Gefühlszustände

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ya brahmaviharas blogIm Sommer 2015 hatte ich die Gelegenheit bei der British Wheel of Yoga Conference in London dieses Thema zu präsentiert und im Dezember 2015 schrieb ich darüber einen Artikel für yoga aktuell. Einige der Passagen zu diesem zeitlosen und immer relevanten Thema möchte in diesem Blogeintrag widergeben.

Die vier Brahmaviharas

“Wenn ich realisiere, dass ich Nichts bin – das ist Weisheit.
Wenn ich realisiere, dass ich Alles bin – das ist Liebe.
Und zwischen diesen beiden fließt mein Leben.“
Nisargadatta Maharaj

Liebe und tiefste Einsicht sind die Grundqualitäten jener höchsten menschlichen Gefühlszustände, die Buddha die vier ‚Brahmavihara‘ genannt hat. ‚Brahma‘ bedeutet ‚göttlich‘, bedingungslos‘ oder ‚grenzenlos‘ und ‚vihara‘ steht für ‚Aufenthaltsort‘ oder ‚geistiger Zustand‘.

Metta

(Sanskrit ‚Maitri ‘) wird mit ‚Freundlichkeit‘‚ ‚Liebende Güte‘ oder ‚Bedingungslose Liebe‘ übersetzt. Wie sehr diese sich von jener Liebe unterscheiden, die wir üblicherweise mit Romantik, Leidenschaft und Anhaftung assoziieren, wird im 'Metta-Sutta' Buddhas deutlich. In dieser von Theravada-Mönchen oft rezitierten Lehrrede heisst es unter anderem:
„Sie mögen glücklich und voll Frieden sein, - die Wesen alle: die schwachen und die starken, die mittelgroß und klein, die zart sind oder grob. Glück erfüllt ihr Herz. Keiner soll den andern hintergehen. Voll Güte zu der ganzen Welt entfalte ohne Schranken man den Geist, von Herzens-Enge, Hass und Feindschaft frei! Ob stehend, gehend, sitzend oder liegend, auf diese Achtsamkeit soll man sich gründen. Als göttlich Weilen gilt dies schon hienieden.“

Karuna

bedeutet Mitgefühl, wobei der feine, aber wesentliche Unterschied zu Mitleid zu beachten ist. Ist das Herz mit Karuna gefüllt, dann schwingt es empathisch mit dem Leid des anderen mit, ohne sich dabei besser zu fühlen und ohne sofort und unbedingt dieses Leid verändern zu müssen. Manchmal kann es unsere tiefere Gefühlsebene so berühren, dass uns dabei Tränen kommen. Mitgefühl ist ein Gefühlszustand, der nicht unbedingt zu hilfsbereiten Aktionen führen muss; es hat auch nichts mit dem Helfersyndrom zu tun, durch das man mit scheinbar altruistischen Handlungen eigene Schattenbereiche kompensiert oder sich damit brüstet.

Robert Adams hat einmal gesagt: „Mitgefühl bedeutet eigentlich, dass du völlig im Einklang mit dem gesamten Universum bist. Es bedeutet Ehrfurcht vor allem Lebendigen und alles ist lebendig, es gibt keine tote Materie. Wenn du das Leben verehrst, respektierst du alles, du hast keine Ablehnung gegen irgendetwas oder irgendjemanden. […] Einige wundern sich, warum sie schon so lange auf dem Weg sind und keine Fortschritte zu machen scheinen. Das liegt daran, dass das Mitgefühl nicht groß genug ist.“

Mudita

wird als ‚uneigennützige Mitfreude‘ bezeichnet, und hängt – wie alle essentiellen Gefühle – von unserem Maß an Weisheit und Güte ab. Wir können zum Beispiel Mitfreude für einen Alkoholiker verspüren, wenn er den ersehnten Alkohol  bekommt (und wir alle haben vergleichbare Schwächen), auch wenn dieses kurzfristige Glück zu längerfristigen physischen und psychischen Leid bei sich und anderen führt. Eine höhere Qualität von Mitfreude kommt dann zum Vorschein, wenn jemand Freude erfährt, die nicht nur unschädlich, sondern sogar heilsam ist.

Upekkha

(Sanskrit ‚Upeksha‘) hat die Bedeutung, über weltliches Geschehen erhaben hinwegblicken‘ und dabei die unberührbare Wahrheit im Herzen bewahren. In diesem Zustand von wacher Gelassenheit, die vom Sattva-Guna durchdrungen ist, wird ein Friede berührt, der nicht mehr von den acht weltlichen Phänomenen (Attha-loka-dhamma) erschüttert werden kann, die jeder mehr oder weniger im Leben erfährt: Glück, Unglück, Gewinn, Verlust, Verehrung, Verachtung, Gutes und Böses.
Die herausragende Bedeutung dieser vierten Brahmavihara wird dadurch unterstrichen, dass Buddha Upekkha als das letzte der sieben Erleuchtungs-Glieder (Bojjhanga) definiert. Aus der unerschütterlichen Einsicht über die Vergänglichkeit von allem Existierenden entfaltet sich ein erhabener Gleichmut, der zwar oberflächlich einer tamasischen Gleichgültigkeit ähnlich ist, jedoch nichts mit Lethargie, Acht- und Respektlosigkeit gemein hat.

Die menschliche Neigung, Unangenehmem zu entfliehen und Angenehmes zu erreichen und zu bewahren, hält uns wie einen Hamster in seinem kleinen Rad vom Morgen bis zum Abend auf Trab und im großen Rad des Sa?sara gefangen. Wie sehr aber ein Gleichmut gegenüber der Welt uns zum inneren Frieden führt, hat wohl kaum einer poetischer zum Ausdruck gebracht als Hermann Hesse in dem Gedicht „Glück“:
Solang du nach dem Glücke jagst, bist du nicht reif zum Glücklichsein, und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlorenes klagst und Ziele hast und rastlos bist, weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst, nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
das Glück nicht mehr mit Namen nennst, dann reicht dir des Geschehens Flut nicht mehr ans Herz,
und deine Seele ruht.“

Brahmavihāras & Asanas

Wie können diese inneren Haltungen unsere Einstellung zum Körper und zur Asanapraxis positiv beeinflussen? Wer sich sehr ehrgeizig und nur auf Äußerlichkeiten bedacht auf die Yogamatte begibt, ohne dabei auf die eigene Intuition zu achten, sollte mehr Metta integrieren. Karuna  könnte dann ein wichtiger Aspekt sein, wenn durch eine körperliche und psychische Verletzung oder Schwäche ein ‚Ausnahmezustand‘ eingetreten ist, der ungewöhnlich viel Beachtung  braucht. Eine Praxis, die Mudita in den Vordergrund stellt, wäre dann angebracht, wenn Sinn und Lebensfreude sowohl im Üben als auch im Leben verloren gegangen ist. Und jenen unter uns, die engstirnig mit ihrer Asana-Praxis und ihrer körperlichen Gesundheit verhaftet sind, könnte Uppekha zu der Einsicht verhelfen, dass es im Yoga eigentlich um mentale Gesundung geht: denn egal wie fit, kräftig und flexibel sich dieser Körper gerade anfühlt, nichts davon werden wir mit ins Grab nehmen können... und nicht einmal ein Super-Yogi kann vorhersehen, wann das eintreten wird.

Hier findest du den vollständige Artikel.

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