„Für uns bedeutet Freude: keine Schmerzen haben im körperlichen Bereich
und im seelischen Bereich keine Unruhe verspüren.“

Epikur (341 – 270 v. Chr.)

Die Inspiration zu einem der wichtigsten Lebensthemen kam mir, als ich eine Zusammenfassung des Buches „Hoffnung auf ein krebsfreies Leben“ von Dr. Kelly Turner las. Dabei dachte ich: Wenn die angeführten 10 Schlüsselfaktoren eine heilende Wirkung für schwer kranke Menschen haben, dann werden ähnliche Punkte sicherlich auch eine positive Auswirkung auf Menschen haben, die mehr oder weniger gesund sind.

In den wenigsten Fällen passiert Gesundheit zufällig. Und wenn man das Bedürfnis und den Mut hat, unter die eigene psychosomatische Oberfläche zu blicken, dann realisiert man, dass die Ursache der meisten Krankheiten nicht bei den Vorfahren liegt oder das Resultat von göttlichen Würfelspielen, karmischen Zufällen oder bösen Geistern ist. Gerade die östlichen Weisheitslehren betonen, dass jeder des eigenen Glückes Schmied ist.

Ausgerechnet die in den letzten Jahren zunehmend in Verruf geratene WHO kommt zu einer erstaunlich ganzheitlichen Definition von Gesundheit: „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.

Dagegen gibt es im Ayurveda den Begriff Prajnaparadha, der als „Verbrechen gegen die Weisheit“ verstanden wird. Darunter versteht man den bewussten, absichtlichen Genuss von ungesunden Praktiken, die zu unausgeglichenen Körperfunktionen und Krankheiten führen.

Das Sanskrit-Wort duhkha (Leid, Schmerz) wird aus dem Präfix du (schlecht, negativ) und der Wortwurzel kha (Raum) gebildet. Im Gegensatz dazu bedeutet sukha ein angenehmer Raum oder Wohlbefinden. Und eines der wichtigsten Ziele im Leben besteht darin, duhkha in sukhka zu transformieren: Einerseits, um uns selber – und damit anderen – nicht unnötig zur Last zu fallen und andererseits, um uns am Glück von ganzheitlicher Gesundheit zu erfreuen. Tatsächlich kann ein freudvolles und zufriedenes Leben genauso ansteckend sein wie ein Virus.

Wenn wir uns folgenden zehn Gesundheitsfaktoren bewusst widmen, dann wird früher oder später eine Transformation zum Positiven in unser Leben eintreten … und sei es nur dadurch, dass bestimmende Leidensursachen nicht mehr verstärkt werden. Dabei ist es ausschlaggebend, dass wir keine unrealistischen Erwartungen haben oder mit verbissenem Perfektionismus gegen eine Krankheit kämpfen. Lebendigkeit, Liebe, Demut, Geduld, Dankbarkeit, Humor und Weisheit sind dabei die besten Begleiter …. und auch das Pareto-Prinzip: Denn die 80-zu-20-Regel besagt, dass 80 % der Ergebnisse mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht werden können.

1) Spiritualität

Spiritualität ist einer der wesentlichen Vorraussetzungen, um alle weiteren Gesundheitsfaktoren zu begreifen und umzusetzen. Sie beinhaltet, dass ich mich als ganzheitliches Wesen erkenne und wertschätze und meinen tieferen Lebenssinn begreife und ausdrücke.

Aufrichtig gelebte Spiritualität ist ein ungewöhnlicher Schatz in unserer Gesellschaft. Denn was wir so an „Spiritualität“ in der populären Esoterik- und Yoga-Szene nicht selten antreffen, ist mehr Schein als Sein. Die spirituelle Nagelprobe, wie weit meine inneren Werte tatsächlich gefestigt sind, zeigt sich, wenn mich gesellschaftliche oder persönliche Krisen treffen, mich eine schwere Krankheit heimsucht oder der Tod bei mir oder einem geliebten Menschen anklopft.

Haben wir unsere individuellen spirituellen Hausaufgaben mit Liebe und Mut zur eigenen Wahrheit wirklich gemacht, dann werden wir zunehmend jene Gemütszustände erleben, die Brahmavihara genannt werden. Buddha und Patanjali verstehen unter diesen „göttlichen Gefühlen“ die Fähigkeit, Freude und Leid, Tugend und Frevel im Leben mit Freundlichkeit, Mitgefühl, Bewunderung und Gelassenheit zu begegnen.

2) Die Verantwortung für Dein Leben übernehmen

Ich kann die Verantwortung für mein Leben wirklich nur dann übernehmen, wenn ich mir ganz persönliche Lebensfragen stelle und auf jene Antworten bewusst und ehrlich lausche, die von innen kommen oder mir von außen zugetragen werden. Der nächste konsequente Schritt erfordert, diese in meinem Leben umzusetzen. Das bedeutet, dass ich selbst sowohl für die Ergebnisse verantwortlich bin, als auch für das Ausbleiben jeglichen Erfolges.

Wenn ich mich sträube, beim Lebensspiel aktiv mitzuwirken und auf der bequemen Zuschauerrolle beharren will; wenn ich nur die süßen Früchte ernten möchte, aber die bitteren – die genauso dazu gehören – auf dem Baum verfaulen lasse; und wenn ich im Alltag meine lästigen, aber notwendigen Hausaufgaben liegen lasse, und mich stattdessen nur nach dem Lust-und-Laune-Prinzip durch das Leben treiben und ziehen lasse: Dann werde ich früher oder später Schiffbruch im Strom des Lebens erleiden.

3) Unterdrückte Emotionen loslassen

Wir Erwachsene sind Meister darin geworden, Emotionen, die gerade nicht angebracht sind, zu unterdrücken. (Und wir haben dieses einst notwendige Kunststück vielleicht schon in der Kindheit als Überlebensstrategie lernen müssen.) Denn wo kämen wir und die Gesellschaft hin, wenn wir all das, was wir gerade empfinden und was uns stört, so wie Babys oder Kleinkinder zum Ausdruck bringen.

Diese emotionalen Unterdrückungen werden nicht nur in unserer Psyche gespeichert, sondern auch im Körper und im Zellgedächtnis. Daher zielen viele spirituelle Praktiken darauf hin, solche Energiestaus und Dissonanzen aufzulösen. Und durch selbstbewusste Achtsamkeit können wir eigene negative Emotionen mit Freundlichkeit und Gelassenheit wahrnehmen, ohne sie verdrängen oder ausagieren zu müssen.

4) Positive Gefühle kultivieren

Die meisten Menschen sind in ihrer subjektiven Blase so gefangen, dass sie gar nicht realisieren, wie wenig Objektivität wir eigentlich erleben. Der Dalai Lama sagt dazu „Wir leiden unter einer gewissen perspektivischen Kurzsichtigkeit und sehen unsere Erfahrungen nicht im größeren Rahmen. Schwierigen Situationen begegnen wir dann häufig mit Angst und Wut.“[1]

Aber ein positiver Perspektivenwechsel ist immer möglich und mit entsprechender Klarheit gelingt es, negative Emotionen in positive Gefühle zu transformieren, Krisen als Chancen zu nutzen und Probleme als Lektionen zu erkennen.

5) Deiner Intuition folgen

Die meisten von uns wurden von Kindheit an so „verzogen“, dass sie als Erwachsene nur noch rational und gedankengesteuert durch das Leben gehen. Zusätzlich wurde uns eingebläut, sich kritiklos an dem Mainstream zu orientieren und gesellschaftliche Normen und kulturelle Traditionen als wichtigste Richtschnur für das Leben zu respektieren.

Dagegen erklärt der indische Yogalehrer Aadil Palkhivala, wie wir eine innere stille Transformation in unserem Leben erreichen können: „Lerne auf die leise Stimme des Herzens zu hören und nicht so sehr auf die lauten Stimmen des rationalen Hirns oder der blinden Leidenschaft. Denn nur unser Herz kann uns zu unserem Spirit, unserer Seele, führen – und unsere Seele ist das wahre Wunder.“

6) Körperlich Aktivität

Die Menschheit hat gerade in den letzten paar Jahrhunderten gelernt, mit immer weniger Körperarbeit immer mehr materiellen Wohlstand zu erzielen. Und durch die Digitalisierung und die Smartphone-Revolution sind wir zu Sesselklebern geworden. Dennoch sind und bleiben wir psychosomatische Wesen. Nur wenn sowohl die körperlichen als auch die seelischen Bereiche, die beide unmittelbar miteinander verbunden sind, sich voll entfalten können, fühlen wir uns ganzheitlich wohl. Daher sind in unserer vergeistigten Welt physische Aktivitäten wichtiger denn je.

Allerdings beobachte ich, dass es in unserer leistungsorientierten Gesellschaft sportliche Tendenzen gibt, die durch das „Weiter-Höher-Schneller-Mantra“ den Körper in die Dysbalance, in den Schmerz und in die Verletzung treiben. So eine physische Überstrapazierung kompensiert naturgemäß ein inneres Ungleichgewicht. Und genau dem sollten wir uns eigentlich widmen … und nicht davor weglaufen.

7) Natur

Im Gegensatz zu Tieren haben wir Menschen die eigenartige Fähigkeit, uns getrennt von der Natur zu sehen. Diese ursprüngliche und in jedem von uns schlummernde Bezogenheit zur Natur wird jedem klar, sobald er sich in einen Wald oder auf einen Berg begibt. Und manchmal genügt schon ein Bruchteil davon, um diese freudvolle und notwendige Verbindung zu erleben: Ein Gänseblümchen, ein Vogel, eine Wolke.

Kaum jemand zweifelt mittlerweile, wie kurzsichtig und gesundheitsschädlich die unmenschlichen Lockdownmaßnahmen und die unnatürlichen Immunbooster waren. Aber ich beobachte bei mir selber und bei anderen, wie unnatürliche digitale Gewohnheiten in atemberaubender Geschwindigkeit zunehmen. Und es ist zu befürchten, dass es noch eine Weile dauern wird, bis wir realisieren, dass uns jene perfekte virtuelle Welt nicht glücklicher macht, sondern uns zunehmend von unserem Menschsein und unserer Naturbezogenheit entfremdet.

8) Ernährung

Das Sprichwort „Du bist, was du isst!“ drückt aus, wie sehr unser Befinden davon abhängt, was wir tagtäglich an Lebensmitteln zu uns nehmen. Allerdings ist Essen mittlerweile so manipuliert, dass Fast & Convinient Food nicht mehr wirklich Nahrungsmittel genannt werden können. Diese „essbaren Substanzen“ stillen zwar kurzfristig den Appetit, aber sie nähren weder Körper noch Psyche in einer gesunden Art und Weise.

Auch wenn teilweise „Bio“ missbraucht und „Greenwashing“ betrieben wird, ist ein positiver Trend in Richtung regionale, saisonale und biologische Lebensmittel zu beobachten. Und wenn uns Gesundheit ein wirkliches Anliegen ist, dann werden wir Nahrung als heilsame Medizin dankbar einnehmen. Hohe Qualität bedeutet natürlich auch höhere Ausgaben. Aber wenn man bedenkt, was man sich künftig an Krankheiten, Arztbesuchen und Medikamenten erspart, dann wird diese Rechnung auf jeden Fall früher oder später aufgehen.

9) Lebenssinn

Wenn wir ein gesundes und zufriedenes Leben anstreben, dann werden wir uns mit wesentlichen Lebensfragen eindringlich beschäftigen müssen:
Was liegt mir im Leben wirklich am Herzen?
Was bestärkt meine Lebensfreude?
Was fördert meine Kreativität?
Wann fühle ich mich wirklich zufrieden?
Wann fühle ich mich bedingungslos angenommen?
Wann kann ich mich authentisch zeigen?
Wann erlebe ich mich ungebunden und frei?
Und wenn ich auf die letzte Woche, auf das letzte Monat und auf das letzte Jahr zurückblicke oder wenn ich irgendwann einmal am Ende meines Lebens darüber nachdenken werde:
Was bereue ich, dass ich nicht gelebt, getan oder ausgedrückt habe?

Der amerikanische Psychiater Irvin Yalom verwendet in seiner Therapie eine Art Gleichung: „Je mehr ungelebtes Leben in uns drinnen ist, desto größer ist der Horror vor dem Tod.“[2]

10) Soziale Beziehung

Ohne positive und vertrauensvolle Bezugspersonen können wir in dieser Welt nicht zu selbstständigen Erwachsenen heranreifen; und wir werden uns auch spirituell nicht voll entfalten können. Ein stimmiges Umfeld bedingt, dass um uns Mitmenschen sind, denen wir auf Augenhöhe begegnen können und die uns als authentische Spiegelhalter dienen. Auch wenn so eine Partnerschaft und solche Freunde keine Selbstverständlichkeit sind: Sie sind eine wesentliche Voraussetzung für psychische und körperliche Gesundheit. Denn das Gefangensein in der eigenen unrealistischen Blase bedingt, dass uns die Möglichkeit eines notwendigen Perspektivenwechsels fehlt und wir gegenwärtige Umstände nicht immer wahrhaftig einschätzen können … und dadurch auch nicht die nächsten notwendigen Lebensschritte.

Dazu sagt Jiddu Krishnamurti, einer der bekanntesten indischen Lehrer und Philosophen des letzten Jahrhunderts: „Beziehung ist der Spiegel, in dem wir uns sehen, so wie wir sind. Das ganze Leben ist eine Bewegung in Beziehungen: Es gibt nichts Lebendes auf der Welt, das nicht zu dem einen oder anderen in Beziehung steht.“

Nach diesen zehn Gesundheitsindikatoren soll uns auch bewusst sein: Jeder steht an einem anderen Punkt im Leben und vor jedem liegen andere Wegkreuzungen. Es liegt an uns, in welcher Haltung wir heute unsere nächsten Schritte gehen und wir haben dabei die freie Wahl, gewohnte Wege nicht mehr fortzusetzen und jene neuen Wege einzuschlagen, die uns mit mehr Gesundheit, Lebensfreude und Lebenskraft beschenken.

Deswegen mach dir immer wieder bewusst: „Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens!“

[1] „Das Buch der Freude“, Dalai Lama, Desmond Tutu

[2] SRF Kultur, Sternstunde Religion, Bruder David Steindl-Rast: https://www.youtube.com/watch?v=3rLNALMh_yk