Dieses Jahr geht zu Ende und zum Schluss bleibt vielleicht nur noch die Frage:
Welche Lektionen habe ich in diesem Jahr in meiner ganz persönlichen Lebensschule gelernt?

Dieser Jahresrückblick ist zwar ein persönlicher, aber die Fragen betreffen jeden, der für das kommende Jahr etwas dazulernen will.

Vielleicht haben wir alle ein ähnliches Grundrauschen der Politik, der Medien und der Maßnahmen erlebt, aber dennoch waren unsere Fächer in der wichtigsten Universität, die niemand schwänzen konnte, sehr individuell.

Einige der Inhalte und einige „meiner Lehrer*innen“ (die nicht nur personenbezogen sind), waren mir vielleicht vom letzten Jahr schon bekannt, andere waren mir völlig neu; einige waren vielleicht langweilig, andere aufregend und weitere kaum auszuhalten. Einige der Lebens-Prüfungen waren leicht zu lösen, andere hatten knifflige Aufgaben, wofür ich Wochen oder gar Monate brauchte, um für mich eine stimmige Antwort zu finden. Aber es gab auch Fragen, die konnte ich schlichtweg nicht lösen und in einigen Fächern werde ich sogar sitzen bleiben und im nächsten Jahr wiederholen müssen.

Wie ging es mir beispielsweise in dem Fach „Geduld & Gelassenheit“?
Welche Noten bekam ich bei der Prüfung „Be prepared for the worst, but don’t lose hope for the best“?
Konnte ich in den Fächern „Selbst-Bewusstsein, Selbst-Wirksamkeit und Selbst-Bestimmung“ etwas dazulernen?
Und wie sehr hat sich dadurch meine „I-llness“ zur allgemeingültigen „WE-llness“ verschoben?
Habe ich mich mehr für das Thema „Zufriedenheit durch Minimalismus“ oder für „Spaß durch Konsum“ interessiert?
In welchen Lebenssituationen habe ich mehr auf mein Herz gelauscht und wann mehr auf meinen Verstand?
Wann bin ich mehr meiner Intuition gefolgt und wann der Meinung anderer?
Habe ich in „Geschichte“ gelernt, dass Historie sich nicht wiederholt, aber ihre Lehren (Richard von Weizsächer); in „Demokratie“?
Habe ich gelernt, dass Grundrechte nicht konditionierbar sind und dass man sich für sie nicht ‚qualifizieren‘ muss (Ulrike Guérot) und in „Gesundheit“, dass sie mehr ist als nur die Bekämpfung von Krankheiten?

Wie bin ich damit umgegangen, wenn sich gewohnte Gemeinschaften und Freundschaften aufgelöst und sich neue gebildet haben?
Was habe ich gemacht, wenn bekannter Lernstoff nichts mehr wert war und mir beim neuen alles „chinesisch“ vorgekommen ist?
Wie tolerant war ich gegenüber „Mitschüler“ gewesen, die gegenteiliger Meinung waren?
Wie habe ich reagiert, wenn plötzlich gewohnte Freiheiten eingeschränkt oder bisher geltende rote Linien überschritten wurden?
Wie viel Mut hatte ich, um für wichtige Werte und Bedürfnisse einzutreten?
Und wie integer habe ich mich verhalten, wenn ich mit dem allgemeinen Narrativ nicht übereinstimmte?

Fragen über Fragen … Und jeder kann sie nur für sich beantworten.

Aber das gute (oder lästige) dabei ist: Spätestens in der nächsten Stufe und im Neuen Jahr wird sich herausstellen, wie viel wir in diesem Jahr wirklich gelernt haben und was wir in der Praxis und im Alltag schon integrieren konnten. Jeder hat seine eigenen Lektionen zu lernen …. und zwar auch in Fächern, die wir uns nicht selber ausgesucht haben. Leider können wir dabei kein Fach überspringen. Und mancher Lernstoff wird solange wiederholt, bis jeder in der Klasse ihn verstanden hat. Deswegen müssen wir nicht voller Angst oder Perfektionismus Tag und Nacht strebern. Und manchmal ist es Not-wendig und besser, wenn wir uns eine Auszeit gönne, den Augenblick genieße und wir uns bewusst werden, wie viel wir schon in diesem Leben und in dieser Zeit lernen durften.

Trotz der unterschiedlichen Lerninhalte, Fähigkeiten und Vorlieben, sitzen wir letztendlich alle als Menschheitsfamilie im selben Boot. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir miteinander verständnisvoll, respektvoll, würdevoll und menschlich umgehen. Und manchmal ist ausgerechnet das am meisten gefürchtetste Fach und manchmal auch der unangenehmste Mensch jener ausschlaggebende Faktor, der uns im Leben am meisten lehren kann.

Ich hoffe, dass diese Gedanken und Fragen zum Jahresrückblick eine Inspiration sind, Krisen zu Chancen zu transformieren und Problemen zu Lektionen.