Buddhistische Meditation

Meditation aus der Perspektive eines ehemaligen buddhistischen Mönches (Evidero, 2016)

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Und trotzdem hatte ich schon als Jugendlicher eine große Neugierde, die notwendige Courage und Geduld, immer wieder einfach nur mit mir und meinem oft unruhigen und verwirrten Geist alleine zu sein. Und trotz aller Hindernisse hatte ich intuitiv das Gefühl, dass dieses tägliche „Rendezvous mit mir selbst“ etwas ganz besonderes ist . . . und tatsächlich entfaltete sich daraus einer der wichtigsten Grundsteine für meinen spirituellen Weg.

Da der Buddha eigentlich nur zwei Dinge lehrte, „Was ist Leiden (Dukkha), und wie kann ich es auflösen“, war diese Botschaft für meine unbefriedigende Lebenssituation ein idealer Ausgangspunkt. Schließlich beschloss ich, buddhistischer Mönch in Asien zu werden, denn ich hatte das Gefühl, in meiner bekannten Umgebung weder etwas zu verlieren, noch zu versäumen. Außerdem wurde meine kompromisslose Entscheidung dadurch unterstützt, dass der Buddha seine Lehrreden (Dhamma) in erster Linie an jene gerichtet hatte, die den Schritt in die Hauslosigkeit gegangen waren.

(Mit dem Pali-Begriff “Anagarika” (Hausloser) wird jemand bezeichnet, der seinen ganzen weltlichen Besitz und seine weltlichen Bindungen hinter sich gelassen hat, um sein Leben ausschließlich der Spiritualität und dem Streben nach Erleuchtung zu widmen.) Das Zuhause, die Familie, die Freund zurücklassen, um buddhistischer Mönch zu werden Um diesen radikalen Lebenswandel wirklich in die Tat umzusetzen und um mein gewohntes Zuhause, meine Familie und Freunde, meine Heimat und meine Kultur hinter mir zu lassen, war ein unerschütterliche Glaube an Karma (das Gesetz von Ursache und Wirkung) und Samsara (durch Karma bedingte Wiedergeburt) ausschlaggebend.

Dadurch verschwanden meine Ängste, dass ich nur Spielball undurchschaubarer Kräfte sei und die materialistische Einstellung, dass es nur dieses Leben und diese Welt gäbe. Auch wenn ich mit der Zeit irritiert bemerken musste, dass auch der Geist eines Mönches extrem kreativ sein kann, sich von einer meditativen Praxis abzulenken. Speziell da ich als Mann gerade in den „besten Jahren“ stand. Jedoch gab mir die buddhistische Lehre über Achtsamkeit und Meditation eine unersetzbare Stütze auf meinem ungewöhnlichen und meist einsamen Weg. Vier Kategorien der Achtsamkeit und drei Arten von Meditationen lehrte der Buddha Der Buddha hat die Achtsamkeit (Sati) in vier Kategorien unterteilt:

● Achtsamkeit in Bezug zum Körper
● zu Gefühlen
● zu geistigen Phänomenen
● zu anderen essentiellen Gesetzmäßigkeiten

die man durch meditative Ruhe und Gelassenheit beobachten kann. Zusätzlich hat er drei Arten von Meditationen gelehrt: 1. Kontemplation zu unterschiedlichen Themen wie „Liebende Güte“ (Metta-Bhavana) oder „Tod und Sterblichkeit“ (Marananu-Sati). 2. Konzentration auf ein bestimmtes Meditationsobjekt (Samatha), um den Geist vom end- und ziellosen Herumirren zu einer gewissen Ruhe zu bringen.

Dabei ist die Achtsamkeit auf den Atem (Anapana-Sati) einer der wichtigsten Übungen, da der Atem als Spiegel der Seele (Atman) gilt und immer beobachtbar ist. 3. Die Einsichtsmeditation (Vipassana) ist die Essenz der buddhistischen Lehre; dabei werden mit meditativer Ruhe und Gelassenheit drei Qualitäten beobachtet: Alle Phänomene sind im Wandel (Aniccha) und daher letztendlich nicht zufriedenstellend (Dukkha). Außerdem wird die „Ichlosigkeit“ (Anatta) erfahren und dabei erkannt, dass weder dieser Körper-Geist-Komplex, noch all das, was man durch ihn erfährt, tatsächlich „Ich“ bin oder „Mir“ gehört.

Die Lehre des Buddha Siddharta Gautama: Einsichtsmeditation für Egolosigkeit Speziell dieser Lehre der Egolosigkeit bin ich in jener kompromisslosen Form später nur im Jnana-Yoga (Yoga der Weisheit) begegnet, wo sie als Advaita-Vedanta bezeichnet wird: Nichtdualität, wie sie in den essentiellsten Texten der Veden beschrieben wird. Dies ist sicherlich kein Zufall, da auch Siddharta Gautama ein Kind seiner Zeit war und es schon vor 2500 Jahren in Indien genug Hinweise gab, wo der Schlüssel zur Leidfreiheit zu finden ist. Allerdings ist es dem Buddha zu verdanken, dass diese Art der Einsichtsmeditation bis heute - zumindest in der Theorie - so bekannt ist.

Auch wenn mir in den 12 Jahren meines Mönchseins der erhoffte Durchbruch zum ‚Nirvana‘ (völlige Auflösung des Egos) versagt blieb, so steht für mich nach wie vor die Wahrheit des Buddha und der Jnanis (Erleuchtete) wie ein Leuchtturm da und ist für mich Wegweiser; gerade in Zeiten, wo der unbegreifliche Ozean des Lebens sich wieder einmal von seiner stürmischen Seite zeigt. Die passende Lehre zu finden ist der Schlüssel für die individuelle Meditationsform Dieses unerschütterliche Vertrauen in eine bestimmte Richtung ersparte mir die Mühen und Verwirrungen, mich mit anderen unzähligen Meditationsformen auseinandersetzen zu müssen, die heutzutage am religiösen und esoterischen Jahrmarkt angeboten werden.

Auch wenn einiges davon seriös und praktikabel erscheint, muss ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, ob ich mich einer Chakra-Meditation oder vielleicht doch einer Klangreise widmen soll; ob ich ein bestimmtes Mantra rezitieren soll und welche Mala (Gebetskette) dafür zu verwenden ist; ob ich zusätzlich bestimmte Atem- oder Körperübungen machen oder doch lieber einen Astrologen oder Psychotherapeuten aufsuchen soll. Nach all den Jahren der Meditationspraxis und des Unterrichtens bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Meditationswahl etwas sehr subjektives und individuelles ist. Daher kann ich jedem raten: Höre in erster Linie auf dein Herz und wenn sich eine Methode stimmig anfühlt, dann widme dich ihr solange, bis sich heilsame Resultate zeigen . . . oder du zur Erkenntnis kommst, dass diese Art im Moment doch nicht die richtige für dich ist. Vor allem habe aber viel Geduld, denn beim Meditieren können keine Resultate erzwungen werden und was sind schon ein paar Jahre mehr oder weniger auf dieser zeitlosen Reise zu unserem wahren Selbst?